Nach der Wassersbrunst©
Die Pegel:
Am 14.2.2003, nach einer Woche Frost, führt der Kamp in Gars erstmalig seit
der Jahrtausend-Flut am 7.8.2002 wieder Niederwasser mit 3 m3/s! Ich habe
deswegen unsere Pegel überprüft, die ziemlich durcheinander waren. Die Latte
beim Rosenburger E-Werk dürfte mit 125 cm in Ordnung sein, wenn auch
eine exakte Lesung erst ab 150 cm möglich ist. Der Internetpegel Stiefern
zeigt gleichzeitig 192 cm, auch das entspricht den alten Werten (mittlerweile
wurde die Sohlschwelle befestigt und ein passender schräger Lattenpegel
montiert).
Den Pegel Zwettl Bahnbrücke habe ich zuletzt am 1.2.2003
besichtigt, es haben ziemliche Anlandungen stattgefunden, die das Niveau um
20-30 cm heben (Minimalwert seit HW 179 cm, vorher 140 cm). Die Frage ist, wie
lange bleibt das so, angeblich sollen bald Arbeiten im Messprofil stattfinden.
Die Flüsse:
Seit dem HW haben wir bereits sehr viele Waldviertler Bäche befahren, unsere
Jungstars bei jedem Wetter auch im Winter - Purzelkamp, Großer Kamp,
Roiten-Zwettl, die Zwettl ab Negers sowie natürlich den Kamp ab Wegscheid.
Grundsätzlich bleiben die Bewertungen ähnlich, jedoch besteht für Anfänger
eine große Gefahr durch sehr viele umgebrochene Bäume, wenige beschädigte
Wehr- und Uferanlagen, sowie durch ungewöhnlich hohe Wasserführungen. Durch
die verwüsteten Mühlkanäle und Turbinenhäuser fließt mehr Wasser über die
Wehrkronen.
Es gibt aber auch neue Spielstellen: z.B. beim Bootshaus Rosenburg (zum Leid der
Anfänger). Auch unsere alte Spielstelle in Steinegg wird mit der Neueröffnung
des Gh. Dunkler ab 1.3.2003 wieder in Ehren gehalten werden dürfen!
Schwere Veränderungen gibt es vor allem in den Steilzonen des Mühlviertels,
Schwarze Aist und Naarn sind hier nicht wieder zu erkennen und dürfen neuerlich
erstbefahren werden!
Die Alternative - am Blauen Nil:
Als Moses sein auserwähltes Volk aus Ägypten führte, trauten angeblich
einige der Querung des Roten Meeres nicht und zogen lieber nil-aufwärts
nach Äthiopien. Nach meinem kurzen Paddeltrip in Assuan wollte auch ich endlich
zu den Quellen des Blauen Nils, ein berühmt-berüchtigter Fluss auch in der
Paddlergeschichte! Mit Sepp Puchinger als Antreiber (nicht immer), mit Mandi
Hausmann und Bruder Rudi starteten wir mit dem ersten Flug des neuen Jahres 2003
Richtung Addis Abeba. Unser (Sepp´s) eigentliches Ziel war das Timkat-Fest in
Lalibela, Felsenklöster und eine viertägige Trekking-Tour im Semiengebirge,
die uns bis 4430 m Höhe führte. Im letzten Moment hatten wir uns aber doch
entschlossen, wenigstens ein Schlauchboot mitzunehmen, man weiß ja nie! Die
bekannten "kurzen" Strecken am Blauen
Nil sind zumindest 180 km lang, Krokodile und Hippos bereichern das Problemfeld.
Die anderen Flüsse dürften in der Trockenzeit wenig bieten, und wir erlebten
die schlimmste Dürre seit 20 Jahren. Zwar konnten wir die Schreckensnachrichten
unserer Medien (noch?) nicht verifizieren, doch ein Blick auf den Tekeze an der
Ausbootstelle der 96er-Expedition genügte -statt 400 m3/s gerade kümmerlich 4
m3/s !
Dennoch war uns in kurzes Abenteuer auf dem Blauen Nil vergönnt:
Der Tana-See bildet mit 100 km Durchmesser einen beachtliches
"Quelltopf" für den Blauen Nil. Von dort strömt der 100 m breite
Fluss zunächst behäblich über eine Hochebene. Nach 30 km stürzt er dann über
eine Riesenkante, die Tissisat-Fälle und beginnt seinen 600 km langen
und fast 2000 m tiefen Canyon durch das "Dach von Afrika" zu
schneiden. Wir gönnten uns zunächst die Fälle, die man (ohne Boot) aus nächster
Nähe besichtigen kann, wobei wir den Namen :"Tissisat - Wasser, das
raucht", hautnah erleben konnten.
Auf der Rückfahrt zum See erkundeten wir einige Katarakte, die uns ohne WW-Ausrüstung
zu riskant erschienen. Eine 8 km Strecke von Bahir Dar weg schien uns dann noch
ideal, um am Nachmittag einzubooten. Zwar hatten wir noch einen Bericht aus dem
Grabner-Heft im Kopf, der von gar gräuslichem Getier schreibt, aber der Tanasee
ist bekannt krokodilfrei und die kleine Hippogruppe am Seeausfluss wird wohl nur
eine Touristenshow sein?
Unter reger Anteilnahme der Bevölkerung pumpten wir den Schlauchkanadier auf
und paddelten gemütlich drauflos. Rudi begeisterte die zutraulichen Wasservögel
mit seinem Gezwitscher, dann wechselte er mit Sepp. Inzwischen hatte sich ein
heimischer Tankwa-Paddler zu uns gesellt. Diese Papyrusboote, die auch am
Titicacasee und am Victoriasee verkehren, gehören zu den ältesten Paddelbooten
der Welt! Wir sind kaum 1000 m auf dem noch seenhaften Fluss gepaddelt, da
erblicke ich am linken Ufer zwei riesige Nasenlöcher, eindeutig ein
Flusspferd! Alle bekannten Stories schießen uns durch den Kopf: R.Bangs
"Es war ein Fluss-Spießrutenlauf, wir manövrierten uns durch ein Feld von
Säugetier-Landminen", oder S.Gründler "In der Unfallstatistik
"Tier macht Mensch tot" verteidigen die Hippos stolz den ersten Platz,
immerhin wird man nicht gefresssen, sondern nur in Stücke gerissen"!
Glücklicherweise haben wir den Einheimischen dabei, der uns deutet, am rechten
Ufer zu bleiben (no na...!). Regelmäßig klatsche ich mit dem Paddel auf die
Wasseroberfläche, um kein untergetauchtes Tier zu überraschen (bald sind alle
"klatschnass", verdammte Bilharziose...!). Der Fluss windet sich jetzt
durch Papyrusdickicht, unser Begleiter wird allmählich unruhig, er will
umdrehen, wir müssen aber zu den wartenden Freunden. Beim ersten kleinen
Schwall will er wenden, wartet aber auf ein Trinkgeld. Gleichzeitig erkennen wir
unterhalb eine ganze Herde von Flusspferden beim fröhlichen Herumplatschen
(nette Kulisse, klingt, wie wenn ein brüllender Stier in die Donau stürzt).
Das reicht, ich gehe die Uferstraße suchen! Nach 30 min bin ich wieder retour,
gerade hier macht der Nil einen Riesenbogen. Sepp hat sich mit unserem
Tankwapaddler geeinigt, ganz links an der Horde vorbeizupaddeln. Nach 100 m
werde ich wieder mutiger und zücke die Kamera, da taucht 20 m links von uns ein
weiteres Hippo auf. Wir werden sehr schnell und begeben uns lieber wieder in
seichte Ufernähe. Kaum dort angekommen, platschen zwei Krokodile mit 2-3 m Länge
kurz vor uns ins Wasser. Mein Adrenalin ist sowieso schon verbraucht, jetzt wäre
mir ein offener Schwall in Flussmitte wieder lieber, aber da traut sich unserer
papyrener Freund nicht hin. Endlich erkennen wir die wartenden Freunde, die
keine Ahnung haben, wo wir die Zeit vertrödelt haben!
Bei der Rückreise über Lalibela, Bati und Awash queren wir einige
hochinteressante Flusstäler, die nach der Regenzeit sicher befahrbar wären,
und vielleicht kleinere Tierarten beheimaten, so einige rechte Zubringer zum Tekeze ,
oder den Mille Wenz, ein linker Zufluss des Awash, tief unten im glühend heißen
Afar-Dreieck. Aber man muss ja nicht jede Erkundung gleich selber paddeln!
Saisonstart 2003 im Südosten
Entgegen allen Erwartungen haben wir nach dem Hochwasserjahr 2002 die große
Dürre zunächst nördlich der Donau, dann aber auch in den Voralpen und bis ins
Ennstal erlebt. Gerade noch konnten wir Erlauf und Lassing zu Ostern paddeln,
dann konnten wenige Auserwählte wenigstens im Südosten einiges erleben:
Zwei Griechenlandreisen haben begeistert:
Ende April mit Horst Weber (unt. Erymanthos, Alpheios, Krikellopotamos u.a.)
und Mitte Mai mit Eichwalder`s (z.B. Mileapotamos, Kerasovitikos, Kamnetikos,
Lakmos - der obere Acheloosdamm ist noch immer nicht voll!).
Michael und Christian haben Anfang Mai die Ostalpen und Dolomiten
umrundet (Fella - viel Eisen im Fluss, Degano bis Gail zu trocken, Lieser,
Thomatalbach, Steyr, Piessling).
In der letzten Maiwoche waren schließlich unsere Türkeiprofis wieder rund um Alanya
unterwegs (drei schöne Tage am Alara, Dragon, Dim Cayi, Köprü Cayi).
Aber auch ich selbst kann über exquisite Erlebnisse nicht klagen:
Die Schilcherschluchten:
Nach Ausfall einer Musikertournee suchte ich spontan nach einer Alternative
und einigte mich mit Hannes, von 2.-4.5. einfach Richtung Kärnten und Steiner
Alpen das Glück zu suchen. Doch schon an der Schilcher-Weinstraße vor der Pack
begann die Entdeckungstour: Vor Jahren hatte ich mit Hans Matz die Teigitsch
besichtigt, leider diesmal zu wenig! Von der Passhöhe führte uns die Laune
eine steile Waldschlucht nach Deutschlandsberg hinunter. Die Niedere Laßnitz
hatte zwar im schweren Oberlauf zu wenig, aber die "Klause" direkt vor
der Stadt konnten wir befahren - eine 2 km lange steile und verblockte
Waldschlucht (WW III+), die mitten in den Schilcher-Weingärten endet. Somit war
der Name für mein neues Eskimo Salto klar: "Schilcher" folgt auf den
alten "Heiligenstein"!
Wir nächtigten in Schwanberg, nicht ohne vorher festgestellt zu haben, dass die
Schwarze Sulm genug Wasser führt. Das war nun überhaupt nicht meine
Zielrichtung, denn mir war die Beschreibung und ein Film noch gut in Erinnerung:
50 Promille, IV-V ! Hannes war aber nicht zu bremsen und organisierte Ulli für
übermorgen. Morgen war ein Ausflug zur Savinja angesagt. Über den
Radlpass und das Mezatal erreichten wir nach einer wilden Bergpiste die oberste
Savinja, die leider viel zu wenig Wasser führte, obwohl der Internetpegel in
Nazarje 12 m3/s zeigte. Wir starteten erst in Luce - herrliches, klares
Wildwasser, den großen Katarakt umtrugen wir lieber. Kurz danach eine
"neue Stelle", eine kräftige Stufe, die früher trocken gelegen war.
Nach 13 km booteten wir bei einem Paddler-Gasthaus aus und radelten zum Auto zurück.
Die Rückreise nach Schwanberg über Velenje und Bleiburg verlief ebenfalls
abenteuerlich, mehr Kurven kann man in einem Tag nicht fahren! 
Nach einer unruhigen Nacht konnte mich Ulli doch überreden, die Schwarze
Sulm in Angriff zu nehmen. Mit 50 cm am Internetpegel Schwanberg hatte
der Bach optimalen Niederwasserstand, etwa 3-5 m3/s, das Wetter sensationell schön!
Beim "Grabenjosl" erreicht man die Einbootstelle mitten in der steilen
Waldschlucht. Wir starteten 500 m zu weit oben und durften gleich mit dem ersten
gewaltigen Umtrager beginnen. Enge Schlitze, hohe Abfälle, Bäume - wenigstens
der Wasserdruck war beherrschbar. Nach zwei Stunden Kampf mit der Urlandschaft
tauchte tatsächlich das versprochene "Genusswildwasser" auf, oft
mehrere hundert Meter auf Sicht zu paddeln! Einige verfallene Mühlen und zwei
Holzbrücken waren die einzigen Zivilisationsspuren in dieser Kreuzung von
Gulling und Gurk, bevor wir nach 7 km, 260 Höhenmetern und fast 5 Stunden die
Straßenbrücke kurz vor Schwanberg erreichten. Mit gut 10 Umtragungen konnte
ich im IVer-Bereich paddeln, Piemont-Freaks können länger im Boot bleiben. Ein
Naturparadies und ein ideales Training für Expeditionisten, leider nur nach
schneereichen Wintern oder Regenfällen zu befahren!
Die rumänischen Karpaten:
Es war nicht einfach, Freunde für die Fortsetzung meiner Südosteuropa-Mission
zu finden. Nach den rumänischen Südkarpaten 1984 zögerten wir lange Zeit;
doch nach den ukrainischen Waldkarpaten 2001 und Bulgarien 2002 war es zwingend,
diese Lücke zu schließen! Mit Rudi, Ricky und Mandi startete ich am 8.5.2003
abends von Wien. Nach einer Hotelnacht in Ungarn vor Szolnok querten wir die rumänische
Grenze bei Oradea (Großwardein) in nur 10 Minuten! Die Fahrt den Crisul
Repede aufwärts kostete viel Zeit, nur 2 m3/s in Cucsa waren zu wenig, auch
reizte uns die besiedelte Hügellandschaft weniger. Abends erreichten wir Baia
Mare, wo wir noch einen gewaltigen Pass zu überqueren hatten, bevor wir kurz
vor Sighetu bei "Mama Ana" in Vollpension genommen wurden, in einem
wunderschönes Holzhaus mit allem Komfort. Nach 800 km Fahrt konnte ich in Ruhe
den einzigen brauchbaren Flussführer studieren, den tschechischen (Ost-)Europaführer
aus dem Jahre 1984. Bis jetzt hatten wir ja kaum Wasser gesehen, nur die gerade
begleitende Mara wäre vielleicht gegangen. Früh morgens standen wir
wieder einmal am Ufer der Theiß und blickten hinüber in die Ukraine. Gerade
dieser Grenzabschnitt wäre reizvoll, aber der Urlaub sollte ja nicht gleich mit
einer Ausweisung enden. Die Wasserführung war jedenfalls üppig (Tiszabecs 140
m3/s), jetzt schnell über den Pass ins Viseu-Tal! Der Bahnschranken verzögerte
unseren Antrieb, aber die doppelgleisige Strecke wäre ja eine eigene Story
wert. Bunte Holzhäuschen und Kirchen inmitten von blühenden Obstgärten, so
empfing uns die "Maramuresch" genannte Region.
Endlich an der Brücke über die Viseu (Wischau), ein Jubelschrei - jede
Menge Wasser, gut 40 m3/s! Auch an der Mündung der Ruscova beste
Bedingungen, wir fixieren die Ausbootstelle und fahren solange flussauf, bis
nach 24 km Strasse und Bach gleichermaßen die Einbootstelle festlegen. Nur 20
km südlich der Weißen Theiß in der Ukraine stehen wir hier, am Zusammenfluss
zweier klarer Bergbäche. Es folgt flottes, aber leichtes Wildwasser (I-II),
erst am auf den letzten 5 km sorgen einige Querrippen für Spannung (III-).
Leider ist das Ufer bald dicht besiedelt, was in diesem Land mit unmittelbarer
Abfallentsorgung gleichzusetzen ist. Wir nehmen uns vor, nur mehr die Oberläufe
zu befahren.
Mit der Waldeisenbahn unterwegs
Das nächste Seitental der Wischau heißt schlicht und einfach "Wassertal"
(Vaser). Vor über 200 Jahren sind hier deutsche Holzfäller angesiedelt
worden, eine 55 km lange Waldeisenbahn erleichtert bis heute die schwere Arbeit.
Eisenbahnfreunde aus der ganzen Welt kennen dieses Juwel, und mangels Straßen
sind auch wir auf diese Beförderung angewiesen. Wir mieten um 100 Euro eine
Draisine mit Fahrer, der uns am nächsten Morgen 19 km flussauf bringt. Die
abenteuerliche Fahrt und das folgende Wendemanöver (mit Wagenheber in der Mitte
- händisch) wird wohl keiner vergessen! Die folgende Bootsfahrt verläuft
ebenso romantisch durch die unberührte Waldschlucht, WW II mit einer Engstelle
WW III. Eine Fahrt soll sogar noch 10 km weiter oben möglich sein!
Wir nächtigen im neuen Hotel Brat in Viseu de Jus (Oberwischau), dann folgen
wir der Wischau bis zum Ursprung am Prislop-Pass. Leider ist diese Flussstrecke
restlos mit Hausmüll versaut, die alte Bergwerksindustrie ist
zusammengebrochen.
Auf Rittlinger´s Goldener Bistritz
Herbert Rittlinger, der große Faltbootpionier, startete im Jahre 1932 zu
seiner ersten großen Weltreise in die Euphratschluchten. In seinem Buch
"Faltboot stößt vor" schildert er aber auch die abenteuerliche
Anreise mit der Eisenbahn über Krakau und Chernowitz in das Tal der Goldenen
Bistritz, auf der er wochenlang bis in die Sümpfe des Sereth paddelt. Im
Oberlauf hoffen wir noch unberührte Natur zu finden; und tatsächlich, kaum
haben wir den Prislop-Pass überquert, da leuchtet in der Abenddämmerung die
"Goldene" zu uns herauf. Der traumhafte Zeltplatz in 1200 m Seehöhe
wird nur durch ein heftiges Gewitter getrübt, doch am Morgen ist die Bistritz
klar wie zuvor. Wir booten bei einem Holzfällercamp an einem verfallenen Wehr
ein, neugierig von einigen "wilden Huzulen" beobachtet. Rittlinger`s
Faltboot "Jonas" wäre wohl schon nach hundert Metern nur mehr
Brennholz gewesen, mein "Schilcher" ignoriert tapfer die unzureichende
Wasserführung. Die Landschaft gleicht aber unserer herrlichen Schwarzen Aist
(vor dem Hochwasser), und nach einigen Kilometern werden die Schwallstrecken
lustiger (WW I-II). Vor einer Rechtskurve fuchtelt Mandi auf der Straße wild
mit der Kamera
- eine sportliche Engstelle mit zwei kleinen Abfällen (WW III-). Noch 9 km sind
es bis Carlibaba, der Fluss hat inzwischen 10 m3/s, wird aber langsam breiter.
Nach etwa 22 km booten wir dort aus, noch 26 km sind es bis Jacobeni, wo
Rittlinger vor 71 Jahren gestartet ist. Wir folgen mit dem Auto dem Fluss, der
ab Jacobeni leider industriell verschmutzt ist. Sollten hier einmal strenge
Umweltauflagen wirken, könnte die folgende 100 km lange Wanderstrecke bis zum
Stausee Izvorul wieder reizvoll sein (von einer wilden "Teufelsmühle"
merken wir nichts). Wir finden im kleinen Dorf Farcasa ein sehr gepflegtes,
neues Hotel. Im Gastgarten genießen wir mit den Einheimischen den herrlichen Frühling
unter blühenden Kirschbäumen bei Bier, Wodka und Maikäfer ("Konfetti,
Konfetti, formidabel"). Langsam lernen wir auch die rumänische Speisekarte
verstehen, zum Frühstück gibt es "Mamaliga su branza" - Polenta mit
Schafkäse.
Nach drei sportlichen Tagen erscheint uns etwas Kultur angebracht und wir
besichtigen die nahegelegenen Moldauklöster. Besonders gefällt uns das zufällig
entdeckte Bergkloster Shila, wo wir von einem hohen Felsen weit in den Osten
blicken können. Bis zum Krimkrieg 1853 war dieses Gebiet jenseits des
Karpatenhauptkammes unter türkischer Hoheit , dennoch hat sich hier eine
beeindruckende 1000-jährige Klosterkultur erhalten.
Wir wollen eigentlich noch den "Geheimtip" Bicaz-Klamm paddeln,
jedoch fehlt in der 2 m breiten und 500 m tiefen Straßenklamm entweder das
Wasser oder jemand hat böse Steine hineingeschmissen? Wir zelten am Roten See
neben einigen Wohnwagen.
Totgeglaubt in Transsylvanien
Von der Passhöhe geht es steil hinunter in das Quellgebiet des Muresul, dem
wir jetzt über 700 km folgen werden. Wir sind jetzt im alten Siebenbürgen oder
Transsylvanien, die Dörfer kommen uns wieder etwas vertrauter vor. Nach einer
Hochebene verengt sich das Tal des Muresul und wir booten an der Ilvamündung
ein (noch ein schöner Wildbach für April). Das Tal zeigt schöne
Felsformationen, der Fluss leichte Schwälle bei mäßiger Verschmutzung, ein
mit 8 km sportliches Zwischenspiel bei der langen Autofahrt. Bei mörderischer
Hitze und ebensolcher Straße fahren wir noch bis Sebes (Mühlbach) weiter, wo
wir uns ein Hotel gönnen.
Wieder sind wir auf historischen Spuren unterwegs, diesmal aber auf den eigenen:
Im Jahre 1984 reisten wir gemeinsam mit Hans Matz, der eine Kundfahrt bereits
1971 absolviert hatte, durch die Südkarpaten. Das Land hat seit damals
unglaubliche Fortschritte gemacht, wie würden wohl die Flüsse aussehen? Schon
1984 waren wir zwischen Dammbaustellen herumgeirrt, hatten aber noch einige schöne
Wildbäche gefunden.
Am 15.5.2003 fahren wir das Tal des Sebesul aufwärts, der Bach war damals schon
verbaut, die Straße ist jetzt noch schlechter. Heilfroh bin ich, als wir den
1665 m hohen Tartarenpass erreichen, etwas mehr Bodenfreiheit könnte mein
Octavia - Allrad noch vertragen, da kommt uns auf dem "Forstweg" ein
Autobus entgegen! Nach 5 Stunden für 90 km finden wir die Lotrul-Alm so vor,
wie wir sie vor 19 Jahren verlassen hatten: Ein Campingplatz mit vielen kleinen
Holzhütten, neu ist aber das kleine Gasthaus am klaren Lotrul-Bach. Die
Straße zum Oberlauf ist mittlerweile zwar gesperrt, die Forstarbeiter
lassen uns aber passieren. Wir können 6 km oberhalb der Alm einbooten und
finden schöne leichte Schwallstrecken. Nach der Alm sind viele Gefällbremsen
zu beachten, wir booten bei der Brücke vor dem großen Stausee aus. Nach einer
gemütlichen Hüttennacht verlassen wir das Hochtal über eine gut ausgebaute
Passstraße Richtung Petrosani. Der steile Wildbach neben der Straße reizt
Ricky sehr, doch uns ist er zu steinig und problematisch. In Petrosani erleben
wir den schmutzigsten Fluss vieler Reisen, wir wollen aber ohnedies zum Riul
Barbat weiter.
Von den 2500 m hohen Gipfeln des Retezat-Nationalparkes kommt noch das letzte
Schmelzwasser (der Winter war schneearm), wir können den 30-Promille-Hammer
noch so erleben wie im Jahre 1984 - ein flotter IVer, eine neue Stelle umtragen
wir lieber!
Wir denken schon an die Heimreise, doch einen Blick soll uns der angrenzende Riul
Mare schon noch wert sein, über den Matz 1971 geschrieben hat: "gehört
zu den schönsten und interessantesten Wildwassern Europas"! Wir hatten
seinen Unterlauf 1984 noch als wuchtigen Alpenstrom wie die Ötz erlebt, doch
schon 1986 wurde der Riesenstaudamm fertiggestellt und der Fluss aus dem
DKV-Auslandsführer gestrichen. 70 m3/s kann das Druckrohr aufnehmen, da bleibt
nichts im Flussbett nach dem 160 m hohen Damm über! Wir nächtigen in der alten
Herberge in Gura Zlata, wo der gleichnamige Seitenbach mündet. Es sind nur 5
m3/s im breiten Flussbett, aber das hohe Gefälle macht eine Befahrung reizvoll.
Am Samstag starten wir auf dem Totgeglaubten; statt WW V genießen wir ein stark
verblocktes WW III mit einigen IVer - Stellen, gekrönt von der Engstelle zum
Abschluss, die Ricky bestens meistert.
Hier haben wir 1984 bei 40 m3/s eingebootet, heute nur mehr ein trauriges Überbleibsel,
im April aber sicher noch befahrbar!
Die Rückreise über Arad mit Nächtigung an der Theiß in Csongrad verläuft
ebenso problemlos wie die Anreise, Sonntag nachmittags sind alle zu Hause. Wir
haben einen abenteuerlichen und zugleich gemütlichen und preiswerten Urlaub
verbracht, wenn auch 3000 km für 4 Mann im PKW kein Honiglecken sind. Die Südkarpaten
sind eine eigene Reise wert, die Waldkarpaten wären gemeinsam mit der Ukraine
ein Traumziel. Vielleicht kann man eines Tages auf einer sauberen Wischau und
Theiß über alle Grenzen paddeln?
Walter Mück, Gars am Kamp, 3.6.2003
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