2003

KAJAK CLUB GARS

KCG-Logo/Aufkleber, created by Ricky Würthner

Nach der Wassersbrunst©

Die Pegel:

Am 14.2.2003, nach einer Woche Frost, führt der Kamp in Gars erstmalig seit der Jahrtausend-Flut am 7.8.2002 wieder Niederwasser mit 3 m3/s! Ich habe deswegen unsere Pegel überprüft, die ziemlich durcheinander waren. Die Latte beim Rosenburger E-Werk dürfte mit 125 cm in Ordnung sein, wenn auch eine exakte Lesung erst ab 150 cm möglich ist. Der Internetpegel Stiefern zeigt gleichzeitig 192 cm, auch das entspricht den alten Werten (mittlerweile wurde die Sohlschwelle befestigt und ein passender schräger Lattenpegel montiert).
 Den Pegel Zwettl Bahnbrücke habe ich zuletzt am 1.2.2003 besichtigt, es haben ziemliche Anlandungen stattgefunden, die das Niveau um 20-30 cm heben (Minimalwert seit HW 179 cm, vorher 140 cm). Die Frage ist, wie lange bleibt das so, angeblich sollen bald Arbeiten im Messprofil stattfinden.

Die Flüsse:

Seit dem HW haben wir bereits sehr viele Waldviertler Bäche befahren, unsere Jungstars bei jedem Wetter auch im Winter - Purzelkamp, Großer Kamp, Roiten-Zwettl, die Zwettl ab Negers sowie natürlich den Kamp ab Wegscheid. Grundsätzlich bleiben die Bewertungen ähnlich, jedoch besteht für Anfänger eine große Gefahr durch sehr viele umgebrochene Bäume, wenige beschädigte Wehr- und Uferanlagen, sowie durch ungewöhnlich hohe Wasserführungen. Durch die verwüsteten Mühlkanäle und Turbinenhäuser fließt mehr Wasser über die Wehrkronen. 
Es gibt aber auch neue Spielstellen: z.B. beim Bootshaus Rosenburg (zum Leid der Anfänger). Auch unsere alte Spielstelle in Steinegg wird mit der Neueröffnung des Gh. Dunkler ab 1.3.2003 wieder in Ehren gehalten werden dürfen!
Schwere Veränderungen gibt es vor allem in den Steilzonen des Mühlviertels, Schwarze Aist und Naarn sind hier nicht wieder zu erkennen und dürfen neuerlich erstbefahren werden!

Die Alternative - am Blauen Nil:

Als Moses sein auserwähltes Volk aus Ägypten führte, trauten angeblich einige der  Querung des Roten Meeres nicht und zogen lieber nil-aufwärts nach Äthiopien. Nach meinem kurzen Paddeltrip in Assuan wollte auch ich endlich zu den Quellen des Blauen Nils, ein berühmt-berüchtigter Fluss auch in der Paddlergeschichte! Mit Sepp Puchinger als Antreiber (nicht immer), mit Mandi Hausmann und Bruder Rudi starteten wir mit dem ersten Flug des neuen Jahres 2003 Richtung Addis Abeba. Unser (Sepp´s) eigentliches Ziel war das Timkat-Fest in Lalibela, Felsenklöster und eine viertägige Trekking-Tour im Semiengebirge, die uns bis 4430 m Höhe führte. Im letzten Moment hatten wir uns aber doch entschlossen, wenigstens ein Schlauchboot mitzunehmen, man weiß ja nie! Die bekannten "kurzen" Strecken am Blauen Nil sind zumindest 180 km lang, Krokodile und Hippos bereichern das Problemfeld. Die anderen Flüsse dürften in der Trockenzeit wenig bieten, und wir erlebten die schlimmste Dürre seit 20 Jahren. Zwar konnten wir die Schreckensnachrichten unserer Medien (noch?) nicht verifizieren, doch ein Blick auf den Tekeze an der Ausbootstelle der 96er-Expedition genügte -statt 400 m3/s gerade kümmerlich 4 m3/s ! 
Dennoch war uns in kurzes Abenteuer auf dem Blauen Nil vergönnt:
Der Tana-See bildet mit 100 km Durchmesser einen beachtliches "Quelltopf" für den Blauen Nil. Von dort strömt der 100 m breite Fluss zunächst behäblich über eine Hochebene. Nach 30 km stürzt er dann über eine Riesenkante, die Tissisat-Fälle und beginnt seinen 600 km langen und fast 2000 m tiefen  Canyon durch das "Dach von Afrika" zu schneiden. Wir gönnten uns zunächst die Fälle, die man (ohne Boot) aus nächster Nähe besichtigen kann, wobei wir den Namen :"Tissisat - Wasser, das raucht", hautnah erleben konnten. Tizzizat Auf der Rückfahrt zum See erkundeten wir einige Katarakte, die uns ohne WW-Ausrüstung zu riskant erschienen. Eine 8 km Strecke von Bahir Dar weg schien uns dann noch ideal, um am Nachmittag einzubooten. Zwar hatten wir noch einen Bericht aus dem Grabner-Heft im Kopf, der von gar gräuslichem Getier schreibt, aber der Tanasee ist bekannt krokodilfrei und die kleine Hippogruppe am Seeausfluss wird wohl nur eine Touristenshow sein?
Unter reger Anteilnahme der Bevölkerung pumpten wir den Schlauchkanadier auf und paddelten gemütlich drauflos. Rudi begeisterte die zutraulichen Wasservögel mit seinem Gezwitscher, dann wechselte er mit Sepp. Inzwischen hatte sich ein heimischer Tankwa-Paddler zu uns gesellt. Diese Papyrusboote, die auch am Titicacasee und am Victoriasee verkehren, gehören zu den ältesten Paddelbooten der Welt! Wir sind kaum 1000 m auf dem noch seenhaften Fluss gepaddelt, da erblicke ich am linken Ufer zwei riesige Nasenlöcher, eindeutig ein  Flusspferd! Alle bekannten Stories schießen uns durch den Kopf: R.Bangs "Es war ein Fluss-Spießrutenlauf, wir manövrierten uns durch ein Feld von Säugetier-Landminen", oder S.Gründler "In der Unfallstatistik "Tier macht Mensch tot" verteidigen die Hippos stolz den ersten Platz, immerhin wird man nicht gefresssen, sondern nur in Stücke gerissen"!
am Blauen Nil Glücklicherweise haben wir den Einheimischen dabei, der uns deutet, am rechten Ufer zu bleiben (no na...!). Regelmäßig klatsche ich mit dem Paddel auf die Wasseroberfläche, um kein untergetauchtes Tier zu überraschen (bald sind alle "klatschnass", verdammte Bilharziose...!). Der Fluss windet sich jetzt durch Papyrusdickicht, unser Begleiter wird allmählich unruhig, er will umdrehen, wir müssen aber zu den wartenden Freunden. Beim ersten kleinen Schwall will er wenden, wartet aber auf ein Trinkgeld. Gleichzeitig erkennen wir unterhalb eine ganze Herde von Flusspferden beim fröhlichen Herumplatschen (nette Kulisse, klingt, wie wenn ein brüllender Stier in die Donau stürzt). Das reicht, ich gehe die Uferstraße suchen! Nach 30 min bin ich wieder retour, gerade hier macht der Nil einen Riesenbogen. Sepp hat sich mit unserem Tankwapaddler geeinigt, ganz links an der Horde vorbeizupaddeln. Nach 100 m werde ich wieder mutiger und zücke die Kamera, da taucht 20 m links von uns ein weiteres Hippo auf. Wir werden sehr schnell und begeben uns lieber wieder in seichte Ufernähe. Kaum dort angekommen, platschen zwei Krokodile mit 2-3 m Länge kurz vor uns ins Wasser. Mein Adrenalin ist sowieso schon verbraucht, jetzt wäre mir ein offener Schwall in Flussmitte wieder lieber, aber da traut sich unserer papyrener Freund nicht hin. Endlich erkennen wir die wartenden Freunde, die keine Ahnung haben, wo wir die Zeit vertrödelt haben!
Bei der Rückreise über Lalibela, Bati und Awash queren wir einige hochinteressante Flusstäler, die nach der Regenzeit sicher befahrbar wären, und vielleicht kleinere Tierarten beheimaten, so einige rechte Zubringer zum Tekeze, oder den Mille Wenz, ein linker Zufluss des Awash, tief unten im glühend heißen Afar-Dreieck. Aber man muss ja nicht jede Erkundung gleich selber paddeln!

 

Saisonstart 2003 im Südosten

Entgegen allen Erwartungen haben wir nach dem Hochwasserjahr 2002 die große Dürre zunächst nördlich der Donau, dann aber auch in den Voralpen und bis ins Ennstal erlebt. Gerade noch konnten wir Erlauf und Lassing zu Ostern paddeln, dann konnten wenige Auserwählte wenigstens im Südosten einiges erleben:
Zwei Griechenlandreisen haben begeistert:
Ende April mit Horst Weber (unt. Erymanthos, Alpheios, Krikellopotamos u.a.)  und Mitte Mai mit Eichwalder`s (z.B. Mileapotamos, Kerasovitikos, Kamnetikos, Lakmos - der obere Acheloosdamm ist noch immer nicht voll!).
Michael und Christian haben Anfang Mai die Ostalpen und Dolomiten umrundet (Fella - viel Eisen im Fluss, Degano bis Gail zu trocken, Lieser, Thomatalbach, Steyr, Piessling). 
In der letzten Maiwoche waren schließlich unsere Türkeiprofis wieder rund um Alanya unterwegs (drei schöne Tage am Alara, Dragon, Dim Cayi, Köprü Cayi).

Aber auch ich selbst kann über exquisite Erlebnisse nicht klagen:

Die Schilcherschluchten:

Nach Ausfall einer Musikertournee suchte ich spontan nach einer Alternative und einigte mich mit Hannes, von 2.-4.5. einfach Richtung Kärnten und Steiner Alpen das Glück zu suchen. Doch schon an der Schilcher-Weinstraße vor der Pack begann die Entdeckungstour: Vor Jahren hatte ich mit Hans Matz die Teigitsch besichtigt, leider diesmal zu wenig! Von der Passhöhe führte uns die Laune eine steile Waldschlucht nach Deutschlandsberg hinunter. Die Niedere Laßnitz hatte zwar im schweren Oberlauf zu wenig, aber die "Klause" direkt vor der Stadt konnten wir befahren - eine 2 km lange steile und verblockte Waldschlucht (WW III+), die mitten in den Schilcher-Weingärten endet. Somit war der Name für mein neues Eskimo Salto klar: "Schilcher" folgt auf den alten "Heiligenstein"!
Wir nächtigten in Schwanberg, nicht ohne vorher festgestellt zu haben, dass die Schwarze Sulm genug Wasser führt. Das war nun überhaupt nicht meine Zielrichtung, denn mir war die Beschreibung und ein Film noch gut in Erinnerung: 50 Promille, IV-V ! Hannes war aber nicht zu bremsen und organisierte Ulli für übermorgen. Morgen war ein Ausflug zur Savinja angesagt. Über den Radlpass und das Mezatal erreichten wir nach einer wilden Bergpiste die oberste Savinja, die leider viel zu wenig Wasser führte, obwohl der Internetpegel in Nazarje 12 m3/s zeigte. Wir starteten erst in Luce - herrliches, klares Wildwasser, den großen Katarakt umtrugen wir lieber. Kurz danach eine "neue Stelle", eine kräftige Stufe, die früher trocken gelegen war. Nach 13 km booteten wir bei einem Paddler-Gasthaus aus und radelten zum Auto zurück.  Die Rückreise nach Schwanberg über Velenje und Bleiburg verlief ebenfalls abenteuerlich, mehr Kurven kann man in einem Tag nicht fahren! Schwarze Sulm
Nach einer unruhigen Nacht konnte mich Ulli doch überreden, die Schwarze Sulm  in Angriff zu nehmen. Mit 50 cm am Internetpegel Schwanberg hatte der Bach optimalen Niederwasserstand, etwa 3-5 m3/s, das Wetter sensationell schön! Beim "Grabenjosl" erreicht man die Einbootstelle mitten in der steilen Waldschlucht. Wir starteten 500 m zu weit oben und durften gleich mit dem ersten gewaltigen Umtrager beginnen. Enge Schlitze, hohe Abfälle, Bäume - wenigstens der Wasserdruck war beherrschbar. Nach zwei Stunden Kampf mit der Urlandschaft tauchte tatsächlich das versprochene "Genusswildwasser" auf, oft mehrere hundert Meter auf Sicht zu paddeln! Einige verfallene Mühlen und zwei Holzbrücken waren die einzigen Zivilisationsspuren in dieser Kreuzung von Gulling und Gurk, bevor wir nach 7 km, 260 Höhenmetern und fast 5 Stunden die Straßenbrücke kurz vor Schwanberg erreichten. Mit gut 10 Umtragungen konnte ich im IVer-Bereich paddeln, Piemont-Freaks können länger im Boot bleiben. Ein Naturparadies und ein ideales Training für Expeditionisten, leider nur nach schneereichen Wintern oder Regenfällen zu befahren!

Die rumänischen Karpaten:

Es war nicht einfach, Freunde für die Fortsetzung meiner Südosteuropa-Mission zu finden. Nach den rumänischen Südkarpaten 1984 zögerten wir lange Zeit; doch nach den ukrainischen Waldkarpaten 2001 und Bulgarien 2002 war es zwingend, diese Lücke zu schließen! Mit Rudi, Ricky und Mandi startete ich am 8.5.2003 abends von Wien. Nach einer Hotelnacht in Ungarn vor Szolnok querten wir die rumänische Grenze bei Oradea (Großwardein) in nur 10 Minuten! Die Fahrt den Crisul Repede aufwärts kostete viel Zeit, nur 2 m3/s in Cucsa waren zu wenig, auch reizte uns die besiedelte Hügellandschaft weniger. Abends erreichten wir Baia Mare, wo wir noch einen gewaltigen Pass zu überqueren hatten, bevor wir kurz vor Sighetu bei "Mama Ana" in Vollpension genommen wurden, in einem wunderschönes Holzhaus mit allem Komfort. Nach 800 km Fahrt konnte ich in Ruhe den einzigen brauchbaren Flussführer studieren, den tschechischen (Ost-)Europaführer aus dem Jahre 1984. Bis jetzt hatten wir ja kaum Wasser gesehen, nur die gerade begleitende Mara wäre vielleicht gegangen. Früh morgens standen wir wieder einmal am Ufer der Theiß und blickten hinüber in die Ukraine. Gerade dieser Grenzabschnitt wäre reizvoll, aber der Urlaub sollte ja nicht gleich mit einer Ausweisung enden. Die Wasserführung war jedenfalls üppig (Tiszabecs 140 m3/s), jetzt schnell über den Pass ins Viseu-Tal! Der Bahnschranken verzögerte unseren Antrieb, aber die doppelgleisige Strecke wäre ja eine eigene Story wert. Bunte Holzhäuschen und Kirchen inmitten von blühenden Obstgärten, so empfing uns die "Maramuresch" genannte Region. 
Endlich an der Brücke über die Viseu (Wischau), ein Jubelschrei - jede Menge Wasser, gut 40 m3/s! Auch an der Mündung der Ruscova beste Bedingungen, wir fixieren die Ausbootstelle und fahren solange flussauf, bis nach 24 km Strasse und Bach gleichermaßen die Einbootstelle festlegen. Nur 20 km südlich der Weißen Theiß in der Ukraine stehen wir hier, am Zusammenfluss zweier klarer Bergbäche. Es folgt flottes, aber leichtes Wildwasser (I-II), erst am auf den letzten 5 km sorgen einige Querrippen für Spannung (III-). Leider ist das Ufer bald dicht besiedelt, was in diesem Land mit unmittelbarer Abfallentsorgung gleichzusetzen ist. Wir nehmen uns vor, nur mehr die Oberläufe zu befahren.

Mit der Waldeisenbahn unterwegs

Das nächste Seitental der Wischau heißt schlicht und einfach "Wassertal" (Vaser). Vor über 200 Jahren sind hier deutsche Holzfäller angesiedelt worden, eine 55 km lange Waldeisenbahn erleichtert bis heute die schwere Arbeit. Eisenbahnfreunde aus der ganzen Welt kennen dieses Juwel, und mangels Straßen sind auch wir auf diese Beförderung angewiesen. Wir mieten um 100 Euro eine Draisine mit Fahrer, der uns am nächsten Morgen 19 km flussauf bringt. Die abenteuerliche Fahrt und das folgende Wendemanöver (mit Wagenheber in der Mitte - händisch) wird wohl keiner vergessen! Die folgende Bootsfahrt verläuft ebenso romantisch durch die unberührte Waldschlucht, WW II mit einer Engstelle WW III. Eine Fahrt soll sogar noch 10 km weiter oben möglich sein!
Wir nächtigen im neuen Hotel Brat in Viseu de Jus (Oberwischau), dann folgen wir der Wischau bis zum Ursprung am Prislop-Pass. Leider ist diese Flussstrecke restlos mit Hausmüll versaut, die alte Bergwerksindustrie ist zusammengebrochen. 

Auf Rittlinger´s Goldener Bistritz

Herbert Rittlinger, der große Faltbootpionier, startete im Jahre 1932 zu seiner ersten großen Weltreise in die Euphratschluchten. In seinem Buch "Faltboot stößt vor" schildert er aber auch die abenteuerliche Anreise mit der Eisenbahn über Krakau und Chernowitz in das Tal der Goldenen Bistritz, auf der er wochenlang bis in die Sümpfe des Sereth paddelt. Im Oberlauf hoffen wir noch unberührte Natur zu finden; und tatsächlich, kaum haben wir den Prislop-Pass überquert, da leuchtet in der Abenddämmerung die "Goldene" zu uns herauf. Der traumhafte Zeltplatz in 1200 m Seehöhe wird nur durch ein heftiges Gewitter getrübt, doch am Morgen ist die Bistritz klar wie zuvor. Wir booten bei einem Holzfällercamp an einem verfallenen Wehr ein, neugierig von einigen "wilden Huzulen" beobachtet. Rittlinger`s Faltboot "Jonas" wäre wohl schon nach hundert Metern nur mehr Brennholz gewesen, mein "Schilcher" ignoriert tapfer die unzureichende Wasserführung. Die Landschaft gleicht aber unserer herrlichen Schwarzen Aist (vor dem Hochwasser), und nach einigen Kilometern werden die Schwallstrecken lustiger (WW I-II). Vor einer Rechtskurve fuchtelt Mandi auf der Straße wild mit der KameraBistritza Rechtskurve - eine sportliche Engstelle mit zwei kleinen Abfällen (WW III-). Noch 9 km sind es bis Carlibaba, der Fluss hat inzwischen 10 m3/s, wird aber langsam breiter. Nach etwa 22 km booten wir dort aus, noch 26 km sind es bis Jacobeni, wo Rittlinger vor 71 Jahren gestartet ist. Wir folgen mit dem Auto dem Fluss, der ab Jacobeni leider industriell verschmutzt ist. Sollten hier einmal strenge Umweltauflagen wirken, könnte die folgende 100 km lange Wanderstrecke bis zum Stausee Izvorul wieder reizvoll sein (von einer wilden "Teufelsmühle" merken wir nichts). Wir finden im kleinen Dorf Farcasa ein sehr gepflegtes, neues Hotel. Im Gastgarten genießen wir mit den Einheimischen den herrlichen Frühling unter blühenden Kirschbäumen bei Bier, Wodka und Maikäfer ("Konfetti, Konfetti, formidabel"). Langsam lernen wir auch die rumänische Speisekarte verstehen, zum Frühstück gibt es "Mamaliga su branza" - Polenta mit Schafkäse. 
Nach drei sportlichen Tagen erscheint uns etwas Kultur angebracht und wir besichtigen die nahegelegenen Moldauklöster. Besonders gefällt uns das zufällig entdeckte Bergkloster Shila, wo wir von einem hohen Felsen weit in den Osten blicken können. Bis zum Krimkrieg 1853 war dieses Gebiet jenseits des Karpatenhauptkammes unter türkischer Hoheit , dennoch hat sich hier eine beeindruckende 1000-jährige Klosterkultur erhalten. 
Wir wollen eigentlich noch den "Geheimtip" Bicaz-Klamm paddeln, jedoch fehlt in der 2 m breiten und 500 m tiefen Straßenklamm entweder das Wasser oder jemand hat böse Steine hineingeschmissen? Wir zelten am Roten See neben einigen Wohnwagen.

Totgeglaubt in Transsylvanien

Von der Passhöhe geht es steil hinunter in das Quellgebiet des Muresul, dem wir jetzt über 700 km folgen werden. Wir sind jetzt im alten Siebenbürgen oder Transsylvanien, die Dörfer kommen uns wieder etwas vertrauter vor. Nach einer Hochebene verengt sich das Tal des Muresul und wir booten an der Ilvamündung ein (noch ein schöner Wildbach für April). Das Tal zeigt schöne Felsformationen, der Fluss leichte Schwälle bei mäßiger Verschmutzung, ein mit 8 km sportliches Zwischenspiel bei der langen Autofahrt. Bei mörderischer Hitze und ebensolcher Straße fahren wir noch bis Sebes (Mühlbach) weiter, wo wir uns ein Hotel gönnen. 
Wieder sind wir auf historischen Spuren unterwegs, diesmal aber auf den eigenen: Im Jahre 1984 reisten wir gemeinsam mit Hans Matz, der eine Kundfahrt bereits 1971 absolviert hatte, durch die Südkarpaten. Das Land hat seit damals unglaubliche Fortschritte gemacht, wie würden wohl die Flüsse aussehen? Schon 1984 waren wir zwischen Dammbaustellen herumgeirrt, hatten aber noch einige schöne Wildbäche gefunden.
Am 15.5.2003 fahren wir das Tal des Sebesul aufwärts, der Bach war damals schon verbaut, die Straße ist jetzt noch schlechter. Heilfroh bin ich, als wir den 1665 m hohen Tartarenpass erreichen, etwas mehr Bodenfreiheit könnte mein Octavia - Allrad noch vertragen, da kommt uns auf dem "Forstweg" ein Autobus entgegen! Nach 5 Stunden für 90 km finden wir die Lotrul-Alm so vor, wie wir sie vor 19 Jahren verlassen hatten: Ein Campingplatz mit vielen kleinen Holzhütten, neu ist aber das kleine Gasthaus am klaren Lotrul-Bach. Die Straße zum Oberlauf  ist mittlerweile zwar gesperrt, die Forstarbeiter lassen uns aber passieren. Wir können 6 km oberhalb der Alm einbooten und finden schöne leichte Schwallstrecken. Nach der Alm sind viele Gefällbremsen zu beachten, wir booten bei der Brücke vor dem großen Stausee aus. Nach einer gemütlichen Hüttennacht verlassen wir das Hochtal über eine gut ausgebaute Passstraße Richtung Petrosani. Der steile Wildbach neben der Straße reizt Ricky sehr, doch uns ist er zu steinig und problematisch. In Petrosani erleben wir den schmutzigsten Fluss vieler Reisen, wir wollen aber ohnedies zum Riul Barbat weiter. Von den 2500 m hohen Gipfeln des Retezat-Nationalparkes kommt noch das letzte Schmelzwasser (der Winter war schneearm), wir können den 30-Promille-Hammer noch so erleben wie im Jahre 1984 - ein flotter IVer, eine neue Stelle umtragen wir lieber!
Wir denken schon an die Heimreise, doch einen Blick soll uns der angrenzende Riul Mare schon noch wert sein, über den Matz 1971 geschrieben hat: "gehört zu den schönsten und interessantesten Wildwassern Europas"! Wir hatten seinen Unterlauf 1984 noch als wuchtigen Alpenstrom wie die Ötz erlebt, doch schon 1986 wurde der Riesenstaudamm fertiggestellt und der Fluss aus dem DKV-Auslandsführer gestrichen. 70 m3/s kann das Druckrohr aufnehmen, da bleibt nichts im Flussbett nach dem 160 m hohen Damm über! Wir nächtigen in der alten Herberge in Gura Zlata, wo der gleichnamige Seitenbach mündet. Es sind nur 5 m3/s im breiten Flussbett, aber das hohe Gefälle macht eine Befahrung reizvoll. Am Samstag starten wir auf dem Totgeglaubten; statt WW V genießen wir ein stark verblocktes WW III mit einigen IVer - Stellen, gekrönt von der Engstelle zum Abschluss, die Ricky bestens meistert.Riul Mare Engstelle Hier haben wir 1984 bei 40 m3/s eingebootet, heute nur mehr ein trauriges Überbleibsel, im April aber sicher noch befahrbar!
Die Rückreise über Arad mit Nächtigung an der Theiß in Csongrad verläuft ebenso problemlos wie die Anreise, Sonntag nachmittags sind alle zu Hause. Wir haben einen abenteuerlichen und zugleich gemütlichen und preiswerten Urlaub verbracht, wenn auch 3000 km für 4 Mann im PKW kein Honiglecken sind. Die Südkarpaten sind eine eigene Reise wert, die Waldkarpaten wären gemeinsam mit der Ukraine ein Traumziel. Vielleicht kann man eines Tages auf einer sauberen Wischau und Theiß über alle Grenzen paddeln?

Walter Mück, Gars am Kamp, 3.6.2003

 

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