KAJAK CLUB GARS

Flüsse voller Leben!

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Georgien 2014

Türkei, Albanien, Ukraine - was bleibt da als nächstes Ziel für einen erlebnisstarken Kajakurlaub? Bereits vor zehn Jahren sichtete ich die Unterlagen über Georgien, doch im Jahr 2008 versuchten die Russen ihre ehemalige Provinz zurückzuholen. Die Abspaltung von Abchasien und Südossetien war die Folge und bis 2010 schien Georgien kein empfehlenswertes Reiseziel zu sein. Georgien - Heimat des Weinbaus, östlicher Vorposten des Christentums, Schauplatz antiker Tragödien (Prometheus, Argonauten, Goldenes Vlies), subtropische Ebenen zwischen Großem und Kleinem Kaukasus, was will man mehr? Christoph Scheuermann, 33-jähriger Wildwasserexperte mit der gleichen Liebe für den Südosten, organisiert seit 2010 geführte Touren durch das Land ( http://www.toros-outdoors.de ), und berichtet von der großartigen Gastfreundschaft der Georgier. Meine Umfrage bei der Generalversammlung stieß auf großes Interesse, und so erkundigte ich mich bei „Scheuer“, ob er auch eine Tour auf leichterem Wildwasser organisieren würde. Ende März fixierten wir die Flüge, den Rest konnten wir Christoph überlassen. Poldi und Elin Tschokert, Lukas Loimer, Florian Stockinger, Michael Esterlus, mein Bruder Toni und ich fieberten dem Abflug am 1.8. von Wien entgegen. 4 Tage waren Christoph und Salome mit ihrem gelben Mercedes Sprinter unterwegs, um 11 Kajaks nach Tiflis zu transportieren. Wir starteten mit jeweils 30 kg Reisegepäck, darunter Zeltausrüstung, Paddelkleidung und reichlich Foto/Videokameras. Der Transfer in Istanbul klappte aufgrund massiver Verspätung nicht ganz, wir erreichten Tiflis in den frühen Morgenstunden ohne unser Gepäck, aber immerhin empfing uns Christoph und brachte uns zu einem netten Hostel im Stadtzentrum. Nach kurzem Schlaf lernen wir beim Frühstück alle Reiseteilnehmer kennen - Bernd und Stephan als zahlende deutsche Sportsfreunde, Benny und Lena als Betreuerteam, Giorgio und David als georgische Guides. Mit einem kleinen Ausflug erkunden wir die nähere Umgebung: Unser neu eröffnetes Hostel „Red Fox“ (www.redfoxhouse5.com) liegt ein paar hundert Meter vom Ufer des Mtkwari (russisch: Kura) entfernt, der Fluss teilt Tiflis, alte Festungen und Monumente überragen die Silhouette, nette Restaurants würden auf konventionelle Reisende warten. Unser Ziel aber sind in der ersten Woche die Zubringer des Mtkwari, längster Fluss des Landes, der nach 1400 km Länge in das Kaspische Meer mündet.

Auf in den Norden

Nachdem die Abholung des fehlenden Gepäcks sichergestellt ist, beladen wir nun auch einen zweiten Sprinter, irgendwie geht sich alles aus. Nach einem ersten Shopping-Erlebnis für die Lagerküche in einem modernen Einkaufszentrum reisen wir auf sehr guten Straßen nordwärts in das Aragvi-Tal. Wir zweigen an einer Flußgabelung von der „georgischen Heerstraße“ ab und fahren nun auf Schotterpiste den „Pshavis Aragvi“ aufwärts, wo wir an der Stauwurzel ein Raftcamp erreichen (www.adventure-center.ge). Reichlich sauberes Wasser strömt hier an der grünen Campingwiese vorbei, ein sehr idyllisches Plätzchen umgeben von Mischwäldern, fast wie zu Hause in den Voralpen! Wir deutlich älteren „Össis“ staunen nicht schlecht, als Christoph nach dem Zeltaufbau verkündet, jetzt am Fluss 14 km oberhalb des Zeltplatzes einbooten zu wollen, aber wir sind ja zum Paddeln hergekommen! Der Pshavis Aragvi führt rund 20 m3/s bei gleichmäßigem mittleren Gefälle im Schotterbett, die Schwierigkeiten gehen kaum über WW II hinaus, dennoch ein flotter Einstieg. Als wir gegen 20 Uhr das Camp erreichen, kämpfen Hunger und Müdigkeitsgefühle gegeneinander an. Gio beginnt ein köstliches Menü aufzutragen, alle Gemüse-, Obst- und Käsevariationen des an Nahrungsmitteln nicht armen Landes werden aufgeboten. 
Nach einer langen, ruhigen Zeltnacht sind wir endlich alle ausgeschlafen. Heute geht die Fahrt weiter aufwärts zum rechten Quellfluss, dem Chevsuretischen Aragvi. Das enge Tal wird hier schon von grünen, baumlosen Dreitausendern eingeschlossen, kleine Dörfer bilden den Außenposten der Zivilisation. Unterhalb einer kurzen Steilzone booten wir ein, der Wildbach rauscht durch eine Waldschlucht mit gutem Gefälle, etwa WW III. Kurz vor dem Zusammenfluss überrascht uns eine wunderschöne kurze Klamm, dann öffnet sich das Tal, der Aragvi wird leichter. Die besonders Eifrigen paddeln nochmals in den Abendstunden bis zum Camp, wir genießen das Lagerleben. Das Raftcamp ist gut besucht, viele Gruppen aus Tiflis genießen die spritzige Abwechslung. Der Chef spricht perfekt Deutsch, er hat auch für hervorragenden sanitären Standard gesorgt. Leider besitzt er einen jungen kaukasischen Schäferhund, welcher jault, weil er angeleint nicht mit den anderen Hunden herumtollen darf. Ich will ihn trösten, er kommt mir schwanzwedelnd und unterwürfig entgegen. Leider deutet er die angebotene Hand falsch und beißt herzhaft hinein. Ich bin so naiv wie Hans Matz vor 20 Jahren in Bovec, man spielt eben nicht mit Kettenhunden! Glück im Unglück, der Hund ist gegen Tollwut geimpft, ich gegen Tetanus und Florian stellt sich als fertiger Mediziner heraus. Die Bisswunde ist aber tief, nach der Erstversorgung wird mir klargemacht, dass an Paddeln in der nächsten Zeit nicht zu denken ist!
Am Morgen brechen wir die Zelte ab, mit meiner geschienten rechten Hand brauche ich etwas Hilfe. Wenigstens kann ich die Busfahrt genießen, jede Kurve bringt neue Eindrücke und wozu habe ich drei Kameras dabei? Wir wechseln in das Nebental zum weißen Aragvi und besichtigen zunächst die berühmte Kirche von Ananuri.

Khevsuretischer Aragvi Am Kreuzpass, georgische Heerstraße

Der weiße Aragvi durchfließt ein breites Tal, die Freunde paddeln auf leichtem Wildwasser eine schöne Strecke bis kurz vor einem Wehrturm, der wie viele in Georgien vor herannahenden Feinden warnen sollte. Fremde Mächte gab es genug in der Jahrtausend alten Geschichte, Griechen, Römer, Perser, Türken, Mongolen und Russen, alle wollten die strategisch wichtige Lage zwischen Nord und Süd, Ost und West beherrschen. Wir stoßen nun weiter in den Großen Kaukasus vor, die georgische Heerstraße windet sich hinauf zum 2375 m hohen Kreuzpass, wir passieren das Schizentrum Gudauri, wo die Lifte weit über 3000 m hinaufführen. Im Norden fließt der Tergi (Terek) bereits auf die russische Grenze zu, wir fahren durch ein karges Hochtal nach Stepandsminda, wo wir in einem Gästehaus unterkommen. Am Abend reißt kurz die Wolkendecke auf und gibt den Blick frei auf den Kasbek, mit 5047 m einer der großen Gletscherriesen des Kaukasus!
Lukas und Florian brechen in den frühen Morgenstunden auf, um möglichst weit Richtung Gipfel aufzusteigen, leider verhindert aufkommender Regen den Plan und sie sind kurz nach unserem Frühstück wieder zurück. Auch wir wollen bei dem Wetter nicht im Norden bleiben, nach Besichtigung der gewaltigen Darjalschlucht bis zum russischen Grenzübergang kehren wir um und finden im Aragvi-Tal wieder herrliches Sommerwetter. Es geht ein Seitental aufwärts, die Freunde paddeln den schwarzen Aragvi, ebenfalls ein spritziger Wildbach ohne besondere Schikanen. Unser nächstes Zielgebiet liegt 200 km südwestlich von Tiflis, den Vorschlag, die Nacht durchzufahren, lehnen wir kategorisch ab und werden dafür mit einem zwar wilden, aber sehr schön gelegenen Zeltplatz auf der Hochebene südlich von Tiflis belohnt.

 Der Orient ruft

 Ein herrlicher Sonnenaufgang zeigt uns die völlig unterschiedliche Landschaft, weit blicken wir über die Hügellandschaft in die Ferne. Der Kleine Kaukasus, in den wir jetzt vordringen, ist ein sehr altes Gebirge mit wenig markanten Gipfeln. Dafür reisen wir ab Tsalka ständig bergauf und erreichen unvermutet in 2200 m Seehöhe eine Passhöhe, welche auch von der Eisenbahn überquert wird! Diese Bahnstrecke wird gerade als eurasische Fernstrecke ausgebaut und stellt sicher eine Besonderheit im Bahnverkehr dar. Wir sind nahe der armenischen Grenze, viele Ortschaften sind armenisch, eine arme landwirtschaftliche Struktur, die aber viele Eindrücke hinterlässt (Pyramiden aus Kuhfladen für kalte Winternächte). Jenseits der Passhöhe erreichen wir den Paravani-See, Ursprung des gleichnamigen Flusses. Mit friedlichen Wiesenmäandern verlässt der junge Fluss den See, mündet in einen weiteren See und gräbt sich dann unvermittelt in eine breite Felsschlucht ein. Diese Bild fasziniert uns, wir wollen wieder hierher zurück! Heute geht es aber noch Richtung Mtkwari, eines meiner Hauptziele. In Akhalkalaki, einer Stadt am Weg nach Armenien, kaufen wir auf einem riesigen orientalischen Markt die Lebensmittel für die nächsten Tage ein, dann geht die Fahrt durch die untere Paravani-Schlucht nach Khertvisi. Der Paravani wird leider gerade aufgestaut, noch tobt er mit großem Gefälle talwärts (WW IV-V). In Khertvisi treffen wir auf den Mtkwari, der sich hier einen über 600 m tiefen Canyon in das Hochplateau gesägt hat. Flussauf wird die Landschaft immer bizarrer, bis wir den Höhepunkt, das Höhlenkloster Wardzia erreichen. Seit tausend Jahren dient ein verschachteltes System von 700 Höhlen in der steilen Felswand zunächst als Festung, später als Kloster. Da uns Lukas und Florian morgen verlassen werden, beschließt die Gruppe noch einen schnellen Abend-Run. Unterbracht wird ein Teil der Gruppe in einem sehr netten Gästehaus in Tmogvi, direkt über der Schlucht. Unglaublich, was die Familie gemeinsam mit unserem Guide auf den Tisch stellt, und was abends nicht gegessen wird, kommt eben auf den Frühstückstisch! Rote Rüben, Gurken, Paradeiser, Brotfladen mit Käse- oder Bohnenfüllung, hin und wieder etwas Fleisch oder Fisch, alles kräftig mit Koriander gewürzt.

Michael vor dem Höhlenkloster Wardzia Einfahrt in die Mtkwariklamm bei Tmogvi

Am Morgen wechselt Florian nochmals meinen Verband, er ist mit der Wundheilung recht zufrieden. Nach der Besichtigung des Höhlenklosters trampen die beiden Richtung Mestia, um einige Bergtouren zu unternehmen. Für mich ist es klar, ein Traumfluss bei Superwetter, Gummihandschuh über den Verband geklebt, jetzt wird wieder gepaddelt! Als besonderes Zuckerl suchen wir eine Einbootstelle 6 km oberhalb von Wardzia, nahe der türkischen Grenze. Der Mtkwari entspringt im anatolischen Hochland, wo auch Ströme wie der Euphrat und der Tschoruh entspringen, jeder mündet in ein anderes Meer! An der Brücke baden viele Kinder im naturtrüben, warmen Wasser; sie sind über die Ankunft der Paddler begeistert. Endlich kann ich wieder das Paddel greifen, wir gleiten durch eine märchenhafte Canyonlandschaft. Einige kräftige Schwälle bis WW III sorgen für Abwechslung, bald erreichen wir das Höhlenkloster. Jetzt geht es (bei sommerlichen 20 m3/s) gemütlich in die große Schlucht hinein, unter der Ruinenfestung von Tmogvi wird es kurz klammartig. Die erste wuchtige Doppelstufe konnte ich gestern noch von der Straße beobachten, dann beginnt eine Folge von Blockstellen, die nach rund 2 km in die „Big Devils Mill“ führen, ein verwinkelter Abfall zwischen unterspülten Konglomeratblöcken (WW IV). Christoph zeigt uns mehrfach die Ideallinie, doch die meisten umtragen lieber rechtsufrig. Es folgen noch sehr schöne Passagen in offener Schlucht, doch ich kann kaum mehr das Paddel halten. Nach einer farbenprächtigen Sinterquelle beende ich nahe der Straße die Fahrt, der Rest paddelt noch bis Khertvisi weiter. Abends trennt sich die Gruppe, denn wir sind vom Gästehaus sehr angetan, während die wildere Truppe bereits in das Hochland zurückeilt, um die obere Paravanischlucht zu erkunden.

Dank Smartphone und GPS treffen wir aber pünktlich am Abfluss des Saghamo-Sees wieder zusammen und booten in den noch sehr kleinen Paravani ein. In 2000 m Seehöhe sind noch die wenigsten gepaddelt, die Landschaft gleicht auch einer alpinen Almfläche mit Schafen und Pferden. Die Einheimischen errichten immer wieder Fischreusen durch spitz zusammenlaufende Steinwürfe, wir versuchen diese nicht zu beschädigen. Bei Niederwasser, kaum 5 m3/s, kommen wir durch die niedrige Felsschlucht langsam voran. Nach 7 km tritt der Paravani in eine weite Ebene, ich boote mit einigen im Dorf Didi Arakali aus, wieder ein Fest für die Kinder! Nach 4 km Mäanderstrecke folgt auch der Rest, es ist zu spät für die folgende lange Schluchtstrecke.

Sinterquelle am Mtkwari Paravani

Die Reise führt uns jetzt den Mtkwari abwärts bis Borjomi, wo wir morgen einen Rasttag einlegen wollen. Wir sehen noch nette, leichte Abschnitte des Flusses, leider auch Staumauern im Bau. Borjomi ist ein berühmter Kurort mit vielen Mineralwasserquellen, leider fehlen seit Ende der Sowjetunion sowohl Gäste als auch finanzielle Mittel. Einige von uns sind schon neugierig auf Stadtleben und Kultur und ziemlich enttäuscht, als wir 15 km vor der Stadt am Eingang des Nationalparkes unser Camp aufschlagen. Die Kulisse der von Kalkfelsen umringten Waldwiese ist schön, aber es beginnt zu regnen. „Wahre Kajakurlauber“ (wir kennen auch andere) spannen eine Plane auf und beginnen zu kochen. Glücklicherweise findet sich am Ruhetag bei Schönwetter für alle ein passendes Programm, Poldi, Toni und Michael fahren mit einer legendären Schmalspurbahn in den Wintersportort Bakuriani, ich wandere mit Gio und Elin vom Kurpark zu einer abgelegenen Thermalquelle mit einfachen Pool, der Rest wandert sportlich durch den Nationalpark zurück zum Camp. Teile des Kurzentrums erinnern an Karlsbad, eine Seilbahn führt vorbei an einem künstlichen Wasserfall, Pavillons, Quellfassungen und Biergärten, alte Villen wurden teilweise schön renoviert. Am Morgen paddeln wir durch die Borjomi-Schlucht des Mtkwari, vom Einstieg einer Raft-Organisation rund 6 km bis zum Ortsanfang, schöne Schwallstrecken WW II mit guten Trainingsmöglichkeiten. Dieses Training wird uns auch ans Herz gelegt, denn jetzt geht es zu den Wuchtflüssen des Großen Kaukasus!

Schokobraunes Gletscherwasser

Der niedrige Rikotipass trennt West- von Ostgeorgien, wir queren die Wasserscheide in einem Tunnel. Fahrzeuge alle Herren Länder passieren dieses Nadelöhr der alten Seidenstraße, Wegweiser zeigen, dass es nach Teheran näher ist als nach Istanbul. Entlang der Straße gibt es jeweils örtliche Spezialitäten zu kaufen, Rosinenbrot, Tonamphoren, Holzschnitzereien oder Melonen. Kurz vor Kutaisi biegen wir nach Norden ab und klettern wieder in die Berge. Über Tkibuli, eine verkommene riesige Kohlenbergwerkstadt, erreichen wir die Passhöhe zum Rionital. Hier steht die Bischofskirche von Nikorzminda, welche heuer ihr 1000-Jahr Jubiläum feiert. Wir bewundern die Reliefs und Fresken, und erfahren, dass König Bagrat diese Kirche etwa zur gleichen Zeit errichten ließ wie unsere Babenberger die Garser Burg. Beide suchten den Kontakt zum kaiserlichen Hof in Byzanz, beide etwa gleich weit entfernt! In Ambrolauri stoßen wir auf den mächtigen Rioni, der von den Viertausendern des Großen Kaukasus braunes Wasser Richtung Schwarzes Meer sendet. 25 km flußab finden wir das Raftcamp im Seitental des Shareulabaches ( www.shareula.ge ). Hierher zu finden ist eigentlich ganz einfach: Von Gars 47 km den Kamp abwärts, 1978 km der Donau folgen, dann gerade 1020 km über das Schwarze Meer und 190 km den Rioni aufwärts, schon sind wir hier. Selbst über Google Earth war die Suche nach dem Camp schwieriger! Wir sind zwar wieder mitten in der Wildnis, aber die Shareula fließt klar und kalt am Camp vorbei, es gibt ein Restaurant und ganz neue Hütten mit Komfort zum Übernachten. Es ist Sonntag abends und wir werden Zeugen vom Abschluss einer dreitägigen Hochzeitsfeier. Beeindruckend ist vor allem der fünfköpfige Männerchor, der jede Kirchenorgel in Verlegenheit bringt! Für uns bleibt auch noch genug zu Essen und Trinken über, wir sind hier in einem berühmten Weinbaugebiet Georgiens! Jede Familie hat ihren eigenen Weingarten, über 500 Sorten gibt es, vom rosefarbenen Weißwein, säuerlich-spritzigen Rotwein bis zu gehaltvollen oder auch süßen Weinen können wir einige Typen kosten, leider bleibt keine Zeit für eine professionelle Verkostung auf einer der beschilderten Weinrouten. Dafür steht am Morgen die „Flimser Schlucht“ des Rioni am Programm. Gleich nach der Shareula-Mündung durchbricht der Rioni einen Kalkrücken, die Schlucht ähnelt tatsächlich dem Vorderrhein. An der Brücke beim Einstieg angekommen, sind wir aber leicht schockiert - so eine schwarzbraune Brühe sind wir noch nie gepaddelt! Es muss im Oberlauf stark geregnet haben, gut 80 m3/s „Mousse au Chocolat“ wälzen sich talwärts. Christoph spricht uns aber Mut zu, und so steigen wir in die Boote. Man kann auf dem breiten Fluss den großen Walzen leicht ausweichen, wenn man sie rechtzeitig erkennt, es fehlen aber die üblichen weißen Schaumkronen. Nach ersten Erfahrungen akzeptieren wir aber diese Eigenart, und die weißen Schluchtflanken bilden einen schönen Kontrast zur braunen Suppe. Nach 6 km erreichen wir die Brücke von Alpana, an eine Weiterfahrt ist bei dieser Wassermenge nicht zu denken. Der feine Schiefersand klebt an Boot und Paddler, noch zu Hause in Europa finden sich Spuren. Während unsere besonders eifrige Truppe in das Nachbartal zum Tshenizqali-Fluss wechselt, kehren wir in unser Camp zurück, um eine geführte Trekkingtour zu unternehmen. Zunächst wandern wir das kühle Flusstal der Shareula aufwärts, doch dann wird es steiler und in der prallen Sonne beginnen wir an der Ortskenntnis unseres Guides zu zweifeln. Es stellt sich heraus, dass nach vielen Jahren der alte Steig zu der gesuchten Felsbrücke völlig verwachsen ist, wir lassen es bleiben, wenigstens sind die Brombeeren am Wegrand sehr schmackhaft und auch das alte Bergdorf ein Erlebnis!

Rioni - mousse au chocolat Kheledura in Lentechi

Am Dienstag reisen wir den Rioni aufwärts bis Oni, wo von links die Jejora einmündet. Dieser kleinere Wildbach entspringt in Südossetien, ein von Russland besetztes Gebiet. Die Straße 12 km bachaufwärts wird immer schlechter, die Grenze ist seit 2008 gesperrt. Endlich wieder ein glasklarer Wildbach, wir booten an einer Brücke ein. Mit leichter Verblockung geht es flott dahin, erst kurz vor Schluss folgt eine kleine Schlucht, in die wir schon vom Auto aus einsehen konnten. Der sichtbare Abfall ist nicht sehr hoch, doch die Anfahrt ist steiler als vermutet. Dank guter Guides kann die WW III+ Stelle aber gut gemeistert werden. Beim Ausstieg am Ortsanfang baden wieder Dutzende Kinder und Erwachsene, sie feuern uns begeistert an. Unsere Kämpfertruppe begibt sich noch zum Oberlauf des Rioni, wir besichtigen Oni, während David in wenigen Minuten den Dachträger schweißen lässt. Zurück im Camp steht uns eine Gewitternacht bevor, es donnert unaufhörlich.

Vormittags klart es wieder auf, wir sind am Weg zum Tshenizqali, wo wir den rechten Nebenfluss, die Kheledura, befahren wollen. Im Gegensatz zum Hauptfluss ist auch dieser Gebirgsbach klar, aber deutlich steiler als die Jejora. Wir Normalverbraucher booten am Ende einer Steilzone ein und paddeln über große Blöcke abwärts bis Lentechi an der Mündung. Ein mächtiger Wehrturm bewacht dieses Bergdorf, eine der letzten Dauersiedlungen vor dem Kaukasus-Hauptkamm. Im Hintergrund leuchtet der 4000 m hohe Laila-Gletscher im Abendlicht. Wir sind bei einer Familie untergebracht, die sich herzlich um die Versorgung der großen Gruppe bemüht. Es gibt sogar Duschgelegenheit, aber nur abends, denn in der Früh ist die Leitung trocken.

Den letzten Paddeltag nutzt nur mehr ein Teil der Gruppe auf dem Tshenizqali, der hier trübbraun über große Geröllfelder zu Tal schießt. Anschließend reisen wir talauswärts nach Kutaisi, um auch noch etwas städtische Kultur zu erleben. Die am Weg liegende Prometheus-Höhle beeindruckt mit beachtlichen Tropfsteinen, vor allem aber durch die Temperatur von nur 14 Grad - draußen im subtropischen Tiefland steigt die Hitze bis über 40 Grad, einer der heißesten Tage des Jahres! In Kutaisi sind wir in einem schönen Hotel bestens versorgt, wir feiern in einem feinen Restaurant unser letztes gemeinsames Abendessen. Längst kennen wir die Bräuche, Gio, der „Tamada“ (Tischsprecher) bringt einen langen Toast aus, dann dürfen wir mit „Gaumardshos“ anstoßen. Einige sind von der Hitze jedoch so geschlaucht, dass nur mehr eine kleine Runde zu einem nächtlichen Stadtrundgang aufbricht, der aber sehr beeindruckend ist. Diese Städte haben durchaus europäischen Charakter, man kann sich sicher und frei bewegen. Freitag früh starten wir zu einem Kulturausflug, gleich in der Nähe befindet sich die gerade erst komplett rekonstruierte Bagrati-Kathedrale, dann geht es 20 km stadtauswärts zur berühmten Klosterakademie von Gelati. Hierher holten die georgischen Könige bereits im 12. Jahrhundert die besten Gelehrten ihrer Zeit aus Byzanz. Für uns bildet den krönenden Abschluss eine seltene Fernsicht, weit im Norden hebt sich die Kaukasuskette schneebedeckt über den Horizont, der westlichste Gipfel überragt alle anderen - der Elbrus mit 5642 m Höhe grüßt uns zum Abschied! Etwa fünf Stunden dauert die Rückreise nach Tiflis, wo wir wieder im Hostel nächtigen. Früh morgens bringt uns David zum Flughafen, schnell sind wir in Istanbul, aber am lokalen Flughafen. Dadurch kommen wir noch zu einer Busreise über den Bosporus, wir sind wieder in Europa, wiewohl wir gar nicht so weit davon entfernt waren.

Walter Mück, Gars, am 02.09.2014

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